Den Titel muss man wörtlich nehmen. In einem guten Haus zählten Anstand und Fassade alles. Töchter aus gutem Hause waren mehr oder weniger eingesperrt bis zu ihrer Heirat. Die Eltern wählten die adäquaten Bücher, den erlaubten Freundeskreis und bestimmten schliesslich auch den passenden Ehemann.

Es ist die Geschichte einer öden Kindheit. Die kleine, durchaus verhätschelte Simone fühlt sich unverstanden. Sie ist ein hoch intelligentes, aber braves, fleissiges Mädchen, das sich für etwas Spezielles hält, auf arme Leute herab schaut, ihre beste Freundin siezt und ihren konservativen Vater bewundert.

Es passiert nichts, nichts, nichts. Diese Memoiren sind eine weite Prärie der detaillierten Erinnerungen, eine endlose Ebene ... über die ich als Leserin doch unentwegt galoppiere, unfähig, meinen Lesefluss zu stoppen. Ob das an meiner Lesesucht liegt oder an de Beauvoir, weiss ich nicht (halte sie nicht für eine speziell umwerfende Schreiberin). Doch ist es eine schonungslose Schilderung mit oft witzigen Momenten, das Geplauder einer jungen Dame mit scharfen Augen und unbarmherziger Intelligenz.

Lange dauert es, bis in der introvertierten Streberin Widerstand und Freiheitsmut erwachen; kein Ausbruch findet statt, eher ein Herauswachsen aus dem Puppenheim - und langsam, langsam bilden sich die Ideen, derentwillen de Beauvoir verehrt wird. Am Schluss des Buches ist sie Studentin und hat gerade Sartre kennengelernt.

Man könnte sich gut vorstellen, die Fortsetzung dieses epischen Outings zu lesen ...

RELEASE NOTES:

kam mit zum Meetup - und blieb auf dem Gestell.

caught at Gloria BCZ

Fascinating (first part of) autobiography by one of the most influential 20th-century philosophers. Will be released in Zurich at Gloria on FR, June 12th.